Sunday, March 16, 2008

Alles macht weiter

In den einleitenden Worten zu seiner umfassenden Analyse des Konzepts des Posthistoire weist Lutz Niethammer vorsichtig darauf hin, dass es sich bei den Propheten des Posthistoire in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ihrer Diagnose womöglich—schlicht, eigentlich—um die Verwechslung des (so nicht erkannten und benannten) Endes oder Scheiterns eines persönlichen, geschichtlichen oder zeitgeistlichen Projekts mit dem (stattdessen proklamierten) Endes aller Geschichte, aller Entwicklung gehandelt haben könnte.

Diese Verwechslung ist Ihnen unterlaufen, mag sich in ihr Denken eingeschlichen haben; und mitnichten ist Niethammer hier die gerne von Literaturwissenschaftlern gezückte sogenannte biographische Methode vorzuwerfen, das griffe zu kurz, auch wenn er—vermutlich nicht zu unrecht—den Umständen persönlicher und ideologischer Um–, Neu– und Desorientierung bei Gehlen, Jünger, Heiddegger, Kojève oder auch Benjamin nachspürt (Ähnliches sagt übrigens Andreas Höfele im hervorragenden Fachblatt Shakespeare Quarterly (1992, 41(1):80–86) über Baudrillard, dessen Posthistoire- und Hyperrealitäts-Diagnose mit einer enttäuschten post-1968 Position in Beziehung zu setzen sei).

Das diagnostizierte Ende der Geschichte, mithin die Problemstellung des Posthistoire sei demnach keine Enttäuschung über das Ende einer Entwicklung, sondern über ein erlebtes Ende von Bedeutung (engl. meaning).

Warum schreibt einer das alles? Weil er über die selbst bereits zwanzig Jahre alten, fast lakonischen Worte Niethammers, ins noch konzisere und schmucklosere Englisch übersetzt, erkennt, dass—wenn all dem, wie zu befürchten steht, ein wahrer Funke innewohnt—seine individuelle, ureigenste Faszination mit dem Ende der Geschichte und dem Einmünden in die Bedeutungslosigkeit, dem obsoleten Kreisen, auch das eigene Leben und die eigene Existenz gemeint sein kann.

Weil es keine Ursachen mehr gibt, weil man über die Ursachen nicht mehr sprechen kann, muss man eben Effekte ohne Unterbrechung herstellen, um Baudrillard (nur unwesentlich) zu paraphrasieren. Weil nichts mehr Sinn hat, muß alles reibungslos funktionieren (im Wortlaut).

Alles macht weiter, auch wenn Bedeutung nicht zu finden ist. Das ist die Zeitmauer, gegen die man eben auch rennen kann.



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