Bewußtsein sei die erste Ableitung des Seins, habe ich einmal in so einem luziden bis halbwahnsinnigen Moment nach dem Blutspenden im Mai 2003 beschieden.
Vielleicht stimmt das aber sogar; sowohl diese Feststellung, als auch das daraus Folgende: Dass nämlich der Mensch mit seiner steten Gabe und Bürde, der Selbstbeobachtung und der—auch noch bewusst reflektierten—Messung der verstreichenden Zeit genau deshalb auch so nah am Abgrund zum Wahnsinn wandelt, und auch deshalb als einzige Spezies halbwegs interessante Formen der Geisteskrankheit hervorbringt.
Q: “What is Time”?
A: “Sie ging auf und ab, ein Buch zur Waffe wie stets. Ihr Kopf war müde, doch der Leib loderte aufgekratzt vor sich hin. So ging das seit langem. Wie eine Form der Schlaflosigkeit, die sich des rein Leiblichen entledigt hatte (das Gehirn, die Materie, es nahm sich seine Mützen voll Schlaf dann und wann und war im Gegenteil morgens kaum wachzubekommen). Also eine teuflischere, tiefgreifendere, die Materie transzendiert habende Form der Insomnie.
Sie würde wachbleiben müssen. Zu wachen hieß auch: Zu warten. Wer wacht, hofft noch. Verdammt zu hoffen. Das Buch mit den Worten darin war nur Täuschung; Täuschung an sich selbst. Nur weil ich lese, so gestand sie sich ein, bin ich noch lang nicht am Leben, und nur weil ich an Buchstaben mich kette, fallen die anderen, schwereren Fesseln nicht ab von mir.
Aber sie ging zum Schrank, und griff zu einem besonders dicken Werk. Sie wollte nur noch lesen, und die kleinen Inseln des Glücks und der Ruhe, des Nichts-Fürchtens finden, die sich darin versteckten. Über die vielen Buchstaben hinweg und durch die vielen fremden Gedanken hindurch wollte sie dorthin segeln. Dass ihr auch gar nichts anderes übrig blieb, und dass sie immer würde weitersegeln müssen, allein, war ihr klar geworden. Zu segeln hieß auch: zu wachen, und zu wachen heisst doch auch: zu warten, und warten heisst hoffen, und die Hoffnung ist die Stammfunktion der Heilung, murmelte sie vor sich hin.”