Thursday, July 03, 2008

Mein Freund, der Baum

Es gibt ja sehr verschiedene Möglichkeiten, seine Lebenszeit zu verbringen. Ganz unterschiedlich nutzen wir die uns verbleibende Zeit, und setzen unsere Schwerpunkte (sagt man so?). Das radikalste Beispiel hierfür—in diesem Falle ganz richtig radikal, weil wurzelnd und die Unterschiede im Wurzelwerk betreffend—steht in meiner Eltern schönem Garten.

Ein Ahornbaum, dem seit 1975 wenig anderes eingefallen ist, als: zu wachsen. Wie unbeirrbar und unabgelenkt und humorlos er vor sich hin schießt seit dem; wie ein imperialer aber natürlich nur wohl­meinender Staat. Wie ein aus unerschöpflichen Kraftreserven sich bedienender Riese, wie sie in meinen Fieberträumen wachsen.

Im Jahre 1976, im Sommer—der eine konnte kaum stehen, der andere war gerade gepflanzt worden—war es bereits einmal zum photographisch in die Zeit genagelten Kräftemessen gekommen zwischen dem Baum und mir. Scherzhaft riet man dem sichtlich verwirrten Kind damals, es solle den Baum festhalten. Fast mühelos passte die Kleinkinderhand um den Stamm. Zweiunddreißig Jahre später zeigt sich, wie lächerlich unnötig dieser Baum meine Hilfe hatte.

Was habe ich getan, wie ist die Zeit verstrichen; wie vergeudet sich der Mensch, und fährt umher, und lernt, und faltet sein Gehirn gleichsam nach innen, weil die Schädelkalotte seine Kiste aus Knochen und Fleisch begrenzt. Wie anders der Baum, der sich nicht beirren lässt. Was muss er lesen, studieren, bangen, lieben, sich irren, in allem! Er wächst, stattdessen. Immer weiter. Definieren Sie: Wunder.






Apologies to our readers who prefer our English posts.

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