1. Beobachten Sie eine Wespe dabei, wie sie, während Sie auf dem Balkon sitzen, innen an Ihrer Fensterscheibe den Ausgang sucht.
2. Spüren Sie dem Bedauern nach, das nach kürzester Zeit sich in Ihnen breitmacht. Vergleichen Sie es mit dem Gefühl der völligen Entnervung, das Sie noch vor wenigen Minuten befallen, ja, beherrscht hatte, als Artgenossen der Wespe—vielleicht die selbe?—Ihnen das Essen so schwer machten.
3. Stehen Sie auf, gehen hinein, und versuchen der Wespe mit einem bereitliegenden ZEIT-Magazin unter die Beinchen zu greifen, im Versuch, es nach draußen zu werfen.
4. Scheitern Sie.
5. Beschreiben Sie stattdessen große Gesten mit den Armen, sprechen Sie mit dem Insekt, und winken es mental nach draußen.
6. Für Naturwissenschaftler: Um sich nicht lächerlich zu machen mit ihrem (erfolgreichen!) Versuch, das Insekt durch mentale Beeinflussung zu lenken, verweisen Sie—vor sich selbst, vor Ihrer Freundin, wer auch immer zugegen ist—auf die Möglichkeit, dass unsere telepathischen Möglichkeiten vielleicht zur Beeinflussung von schweren Objekten und anderen Menschen zu schwach, für ein Insekt aber meistens doch völlig ausreichend sein dürften.
7. Sehen die der Wespe zu, wie sie hinausfliegt. Erfolg; Ihr Erfolg! Freiheit! Malboro-Country, Jochen Distelmeyer, et al.
8. Lassen Sie nicht mehr als eine Minute verstreichen und lauschen dann wieder dieser, jener, nun: Ihrer Wespe.
9. Beobachten Sie die Wespe kraftlos auf Bodenhöhe am Fenster entlang helikoptieren.
10. Denken Sie über eine Konjunktion aus Scheitern an sich, dem Scheitern dieser Wespe und Ihrem Scheitern nach.
11. Seien sie bereit für ein neues Drama, wenn sich genau jetzt diese Wespe in einem für Sie nicht mal zu sehenden Spinnennetz verfängt. Lauschen Sie genau, wie die Frequenz des Flügelschlags dieses Insekts sich ins Extreme, sich ungesund Anhörende steigert.
12. Sehen Sie dieses erneute, nun viel grundsätzlichere Scheitern der Wespe. Welches auch der kleinen, sehr kleinen Hausherrin und Spinne nicht entgangen ist.
13. Knien Sie ganz nah und schauen Sie. Seien Sie Ernst Jünger, der kalte Blick, etc. pp., und schauen Sie sich das mal ganz genau an. Wie hier jemand stirbt. Wie hier jemand anderes sich die Nahrung für die nächsten drei kommenden Winter sichert. Wie erstmal die—immer noch nicht zu sehenden—Fäden betriebsam aber nicht hektisch um das erst noch kämpfende, dann doch merklich verendende Insekt gewoben werden.
14. Ganz wichtig jetzt: Bleiben Sie.
15. Denken Sie zurück an Lektion #2.
16. Denken Sie zurück an Lektion #4.
This is a sequel to the first and critically acclaimed “16 lessons of compassion”.
Apologies to our readers who prefer our English posts.
No comments:
Post a Comment
Feel free to etch a postcard on the wall of time: