An einem 15. Oktober denke ich: Gut möglich, dass sich meine hier desöfteren bereits erwähnte Großmutter Elfriede Kallenberg und die legendäre holländische Spionin Mata Hari diese Welt und ihre Luft zum Atmen noch einige Minuten teilten. Besessen wie ich bin von den Staffelläufen, die das Leben darstellt, lässt mich dieser Gedanke erschauern. Irgendwann im Laufe des 15. Oktobers, heute vor 91 Jahren, wurde Margaretha Geertruida “Grietje” Zelle das Leben genommen, und Elfriede Margarete “Friedl” Fellinger selbiges gegeben.
Die eine stellte man etwa hier (48°50′42″N, 2°26′05″E) auf, fesselte sie nicht, auch die Augen verband man ihr nicht, sie schien es nicht zu wünschen, und schoss auf sie. Es ist seltsam bis ermüdend unergiebig, dass sich die Augenzeugenberichte solcher Erschießungen im Ende doch stets so gleichen.
“She lay prone, motionless, with her face turned towards the sky. A non-commissioned officer, who accompanied a lieutenant, drew his revolver from the big, black holster strapped about his waist. Bending over, he placed the muzzle of the revolver almost—but not quite—against the left temple of the spy. He pulled the trigger, and the bullet tore into the brain of the woman. Mata Hari was surely dead.”
–schreibt ein Herr Henry Wales für den International News Service nur vier Tage später, aber man kann sich nicht des Vergleichs mit Gottfried Benn erwehren, der in seiner einzigen journalistischen Arbeit viele Jahre später einmal über die bereits 1915 stattgefundene Exekution der Edith Cavell recht ähnliches zu erzählen wusste. Wer schreibt von wem ab, oder ist es einfach stets der gleiche Plot mit geringfügigen Abweichungen, stets die gleiche Mär vom nicht zuckenden Auge und der Würde, die so oder leicht anders ja auch Jünger im Wäldchen einen Krieg später gespürt haben will.
All dies jedenfalls ereignete sich, während nur wenige hundert Kilometer entfernt, etwa auf 49°15′0″N, 6°51′0″E, meine spätere Großmutter zur Welt gelangte; und vielleicht gingen sie ja doch noch einige Atemzüge zusammen, die dem Tod geweihte Tänzerin und das dem Leben geweihte Mädchen, dessen weiterer Weg auch zu meinem Werden beitrug. Über Ausmaß von Würde und zuckenden Augen bei der Erstgebärenden dort im Saarland ist nichts überliefert.
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Ein mir bekannter, gar mit mir verwandter Häretiker merkte umgehend an, dass letze Atemzüge oft von Mundgeruch durchweht seien. Er hat recht, aber was ändert es. Auch Neugeborene riechen noch nach Tod.
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