In einer aktuellen Portraitphotographie sieht man den Dichter Christian Kracht innehalten, und eine Fliege sitzt dort, wo andere Lichtgestalten einst ihren Schönheitsfleck hatten. Die Fliege sonnt sich, oder sucht den Schatten unter Krachts Nase; und hätte Tom Ising nicht so einen mesmerisierenden Umschlag entworfen, der mit einer alten (nicht einmal fiktiven) Afrika-Karte den Ton setzt, und wären Autorenfotos auf dem Cover nicht spätestens seit den verlustreichen Schlachten am Adlon 1999 wegen akutem Mißverstand verboten, so könnte auch dieses Bild eine hervorragende Vignette sein für diesen neuen, vielleicht letzten Roman von Christian Kracht.
Denn, überhaupt, die Tiere: Vorangestellt hat Kracht diesem Lied in Buchform ein Zitat von D.H. Lawrence, in welchem der Anmut einer Wiese mit nichts als einem Hasen darauf gehuldigt wird; durch den Buchtrailer von Frauke Finsterwalder flattert ein Schmetterling und scheint einer gravitätischen Bahn nach Afrika zu folgen. Und am Ende, soviel sei verraten, tragen Hyänen eine Art von Sieg davon.
Im übrigen den einzigen Sieg, den es noch zu erringen gibt, den eines freien Lebens über den Hirntod: In Krachts Sonnenschein, wie in allen seinen Erzähltexten, ist die Zeit aufgehoben, Post-Histoire in Reinkultur: “Weil es keine Geschichte mehr gibt, dürfen die Ereignisse nie aufhören”, also liefern sich die eifrigen und diffus guten Schweizer noch Scharmützel mit den Deutschen, aber der große Krieg wird nicht gewonnen werden, er dauert gefühlt schon ewig und wird es immer tun. Aber hier, plötzlich und unvermutet anders als in “Faserland” und in der faux period novel “1979”, spürt man am Ende vielleicht doch einen Ausweg, ein Entkommen aus der Endlosschleife des abhanden gekommenen Sinns.
Es sind ausserdem oder vor allem in diesem Buch, wie stets bei Kracht: die klaren Sätze, von allem Ballast befreit; die einprägsamen Bilder, die man gemeint hat gesehen zu haben, ohne sich genau erinnern zu können; die lustigen und listigen doppelten Böden, die der Autor für unser wiederholtes und vertieftes Lesevergnügen eingezogen hat; die Träume, also: die so oft beschworene und doch so selten einfach niedergeschriebene Phantasie.
Als ich das Buch zu Ende gelesen hatte, nachdem ich diesen Traum nachgeträumt hatte gewissermaßen, und nachdem ich diesem Humanisten in Uniform nach Hause, nach Afrika gefolgt war, der uns voraus fliegt wie der Schmetterling, war für ein paar Minuten alles gut. Mehr kann man nicht verlangen. Kaufen Sie dieses Buch, und geben sie es nicht mehr her.
Apologies to our readers who prefer our English posts.
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