5.
25.12., Schwäbisch-Sibirien
Heimat ist ein flüchtiges Konstrukt; das Bose-Einstein-Kondensat des limbischen Systems, oder so ähnlich.
Im einen Blickwinkel im einen Moment stellt sich alles als vertraut und heimlich dar, die Menschen, die Klänge, die Themen, die wir uns schaffen. Man mag beispielsweise hinter einem Musikinstrument sitzen, ihm lärmend großen Schall entlocken, und die immergleichen Lieder und die immergleichen, ganz leicht unsauber rollenden Rhythmen mit den alten Gefährten produzieren.
Doch dreht man zwischen zwei Liedern den Kopf ebenso leicht, und schaut auf die billige Gemäldereproduktion an der Wand, dann kann schon alles wieder anders sein: Auf einem gefrorenen Feld wähnte ich mich, mit einem Schlauch im Rücken, und nur mit einem Flügelhemdchen am gemergelten Leib. Unter Menschen, die ein schnarrendes Phantasierussisch sprechen, aber alle ein anderes. Das geht vorbei, zum Glück, und man trinkt einen Schluck, trocknet sich die faltige, heisse Stirn und spielt noch einen Hit, die Menschen tanzen wieder. Aber die Szenerie ist gemalt, das Thema gesetzt: Zuhause ist immer woanders.
Genauso können inmitten der monatelang ersehnten Leere der Zeit und des Kalenders all der Mangel und die Verwirrung am ehesten zu Tage treten, die sich breit machen in den Lebewesen einer säkulären, autistischen Welt. Wehe dem, der vergessen hat, seine Analgetika zu nehmen. Wenn die Einsamkeit der Seele nicht mehr von den Torwächtern des Termindrucks unten draußen gehalten werden, sondern oben drinnen mit uns am Tisch sitzt, mit uns im Bett liegt und selbst mit uns in den Büchern liest – den Büchern, die manche Unbelehrbare als Sedativa und Antiprofanika stets mitführen –, wo soll man dann hin? Der Stollen liegt hinter mir, doch wer hätte mich gewarnt, wohin er führen würde?
Heimat ist ein flüchtiges Konstrukt, was aber auch bedeutet, dass man in jeder Flüchtigkeit Heimat und Ruhe und eine Tachistoskopie des Glücks finden kann. Ich darf nur nicht im falschen Moment blinzeln. Offenen Auges, und verbrannten Herzens weiter des Wegs.
Apologies to our readers who prefer our English posts.
Wer macht Deine Seele einsam?
ReplyDeleteDu selbst?
Die anderen?
Die, die nicht da sind?
Die, die es nicht gibt?