“Wenn Sie einsteigen in ein Spiel […], dann merken Sie, daß eine gewisse Begeisterung Sie befällt, auch wenn Sie, wie ich, eigentlich kein Verhältnis [zu diesem Spiel] haben. Dasselbe ereignet sich, wenn ich in ein politisches System einsteige. Ich habe für Ordnungssysteme ein Faible.” Das sagte Ernst Jünger einmal, 1982, und dieser Satz lässt ahnen, dass er der spannungsreichen (De-)Konstruktion seiner eigenen Begriffswelten durch den Herausgeber Alexander Pschera und seiner nicht un-illustren Autorenschar im recht neuen Band “BUNTER STAUB” sicher sehr aufgeschlossen gegenübergetreten wäre.
Das vieltausendseitige Ordnungssystem Ernst Jünger, an dem der alte bad guy mit dem später eher humanistisch-entzeitlichten Gestus eines Astrologen und Sehers jahrzehntelang gewerkt und, vielleicht ohne es zu bemerken sehr postmodern, herumredigiert hat. Dieses System erfährt nun eine Spiegelung und Brechung in einem fast vierhundertseitigen Band aus dem Hause Matthes & Seitz:
Schlüsselbegriffe aus Jüngers Werk wie “Gestalt”, “Rausch”, “Waldgang”, “Schmerz” werden von ausgewählten Kennern des Jüngerschen Werks in eigenen Texten neu eingeleuchtet, und stehen in der Mehrzahl als Kunsttexte eigenen Ranges nun vor uns. Ihre wirklich kunstvolle, ebenso gedanken– wie für Jüngernovizen einsichtsreiche Verbindung aber besorgt ein namenloser Essayist, von dem wir annehmen, dass es Pschera selbst ist und der hier uneitel die eigentlichen Ein– und Aussichten zusammenträgt.
Gerade also für alle, denen dieser Bücherversand schon ebenso penetrant wie erfolgreich vom »Arbeiter« bis zu den »Afrikanischen Spielen« oder den »Glass Bees« (Jünger auf Englisch, auch eine sehr schöne Spiegelung) alles anempfohlen hat, ist dieser Band ein Segen: Endlich weiterdenken, über Jünger hinausdenken, Jünger anders lesen. Dazu tragen am ertragreichsten gerade die aberwitzigsten Versuche bei, wie David Woodards situationskomischer Trip mit Jüngers Augen durch das nicht mehr Leningrad heissende Petersburg, oder Pscheras stream of consciousness, den Topos des “Flugtraum” einleitend. Die einst an einer selbstbewussten Nation feilenden vermeintlichen Stars des Bandes hingegen bleiben erstaunlich blass, zu nah an Jünger selbst vielleicht, um dem Unternehmen der Dekonstruktion Entscheidendes beifügen zu können. Aber das machen andere wett, wie Eckhart Nickel, Lorenz Jäger, Günter Figal oder Mark von Schlegell, die verschmitzt ihre Hütchenspieltricks mit Jüngers Wesen und seinen Begrifflichkeiten veranstalten.
Jeder “[Künstler], für den […] die Jagd ein faszinierendes Spiel ist, ein Vorwand für subtilste Kombinationen und Differenzierungen” (so schreibt Jünger selbst in “Subtile Jagden” 1967) wird jedenfalls eine andauernde Freude am Besitz dieses sehr schön gesetzten, schön unbunt in schwarz und weiss gehaltenen, handlichen Bandes haben. Kaufen Sie dieses Buch und geben Sie es nicht mehr her!
Apologies to our readers who prefer our English posts.
Seitenhieb auf Schwilk und Konsorten sind immer gut, allein der Titel seines Beitrags wirkt eklig, fehlt nur noch Peter S.-L. like ein Bild von ihm und Jünger. Seine Biographie zeigt schon die Unfähigkeit sich, abseits von netten Geschichtchen, näher inhaltlich mit irgendwas zu befassen. Figal ist zwar nicht ganz so schlimm, künstelt da dennoch irgendwie rum mit Rothko und der Zeitmauer. Ist denn nicht die verglühende Zigarette die beste Metapher für die verstreichende Zeit, eigentlich eine Sanduhr, die ich als Kind zum Zähneputzen immer hatte, drei Minuten. Dann ist die Zeitmauer die gelben Linien an den Raucherbereichen in den Bahnhöfen.
ReplyDelete“Dann ist die Zeitmauer die gelben Linien an den Raucherbereichen in den Bahnhöfen.” — den bitte ich mal auszubauen, diesen Gedanken; Danke. Er streifte, prä-verbal, mehrmals mein Bewusstsein, als ich in den vergangenen Reise-Wochen die armen Würstchen, mit und ohne Bahn-Uniform, ihren Tabak freebasen sah, bevor der Schaffner selbst zur Schicksalzeit pfiff.
ReplyDeleteIch werde das heute oder morgen näher ausführen. Es ist nun mal ein Faktum, dass sich der Raucher, der wahre, dem Zeitfluss entzieht. Das wirkt paradox in Anbetracht der Zigarette als Zeiteinheit, wird aber noch erläutert. Wahrscheinlich ist auch das der unterbewusste Grund für die Raucherrepressionen, sind doch die Zigaretten lang nicht mehr so stark und schädlich, wie noch vor einigen Jahren
ReplyDeleteÜbrigens: Die Grenzerfahrung der jüngerschen Stahlgewitter, das was er theoretisch zu erfassen versuchte, lässt sich sehr gut heute in simulierter künstlicher Form erleben: Über die (gelbe) Linie heißt die Devise.
ReplyDelete