Ist die Monochromie das erste oder das letzte Bild? Was geschieht mit der Zeit, wenn die Narration aus dem Bild verschwindet?
Das folgende ist ein Zitat aus Julia Friedrichs hervorragend geschriebener (und von Carmen Strzelecki sehr schön gesetzter) Dissertation, “Grau ohne Grund — Gerhard Richters Monochromien als Herausforderung der künstlerischen Avantgarde”, erschienen 2009 bei Strzelecki Books, Köln.
Wo noch Bewegung ist – ließe sich Lyotards Überlegung fortsetzen –, ist noch immer ein Vorher und Nachher, eine Entwicklung und kein Jetzt. Zugleich ist aber mit [Barnett] Newmans Tafeln, die zwar narrative Titel tragen, aber keine Szenen geben, die zwar Bilder sind, aber nichts darstellen, zugleich die Frage »Geschieht es?« gestellt. 143 Erhaben wären die Tafeln Newmans nach deser Deutung keineswegs deshalb, weil sie an dräuende Wolken oder Steinwüsten erinnerten, und auch nicht deshalb, weil sie den Betrachter durch ihre Monumentalität überwältigten, sondern gerade durch ihre Verweigerung der Abbildung und weil sie dennoch in der Zeit, im Jetzt, die konkrete Frage nach dem Seienden stellen. Geschieht es? Das Ereignis ist demnach nicht Moment einer Entwicklung oder einer zeitlich fortschreitenden Bewegung, sondern fällt aus der Zeit heraus.
Obwohl Lyotards Analyse einen ganz wichtigen Punkt erfasst – das Verhältnis von Zeit und Unzeit, von linearem, geschichtlichen Fortschreiten und plötzlichem Ereignis –, der gerade im Vergleich mit Gerhard Richters Konzeption, die in vieler Beziehung exakt das Gegenteil von Newmans vorstellt, noch genauer betrachtet werden muss, scheint sie doch zu abstrakt. Auch wenn Newmans »Vir heroicus sublimis« Lyotards Ausgangspunkt ist, schaut er sich das Gemälde gar nicht näher an. Die Frage »Geschieht es?« wird im Grunde von allen Kunstwerken aufgeworfen, die die Frage nach der eigenen Existenz stellen, also von der Konzeptkunst Lawrence Weiners oder On Kawaras ebenso wie vom Action Paiting oder vom abstrakten Expressionismus Jackson Pollocks oder Willem De Koonings.
143 Lyotard, F. (1984). Das Erhabene und die Avantgarde. Merkur 424:151–164
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