“Träumst Du auch so oft vom Krieg? Warum träumen Menschen wie Du und ich vom Krieg? Den kennen wir doch gar nicht.” — “Ja eben, das ist es ja. Was weiß ich von Krieg. Das sind ja alles so Klischees. Bilder, aber gar nicht meine eigenen. Deshalb bin ich ja heute so durcheinander. Aber angenehm durcheinander. Vielleicht bin ich auch nur so ganz wohlig zufrieden, dass es nur ein Traum war. – Ich glaube ja, dass die Träume, also, solche Träume das Leben erst erträglich machen: Ich wache wieder daraus auf, und bin froh, wieder hier zu sein. Dabei schläft man abends ein und will nur weg.”
“Aber was war denn so schlimm an dem Krieg in Deinem Kopf?” — “Na, hör mal. Es war – Krieg!” — “Vom Krieg hab ich auch schon so oft geträumt; das fing ja schon an als ich so vier oder fünf war. Ich stand hinter unserem Haus, also jetzt nicht im Traum, sondern am hellen Tag, und mein Nachbarsspielfreund sagte, morgen ist Krieg.“ — “Oho.” — “Genau, das habe ich damals, so mit knapp fünf, auch gedacht. Oho. Allerdings stimmt das nicht; ein Oho ist ja schon eine Art – Kulturleistung. Wenn ich also mit etwas innerem Abstand oho rufen kann – ich mein, ich hörte doch jetzt am Telefon auch gerade Deine hochgezogene Auenbraue – also dann muss ich mir nicht mehr vor Angst in die Hosen scheißen. Aber mit vier oder fünf brennt sich das ein, so ein ‘Morgen gibt’s Krieg’.” — “Um welchen Krieg ging es denn? Kam der auch am nächsten Tag?” — “Das frage ich mich auch zunehmend, je länger das her ist. Vielleicht ging es um die Iran-Krise, 1979 oder 1980.”
“Man müsste viel mehr aus diesen Kindheitserinnerungen machen.” — “Ja, kann sein. Aber ich will nicht so ein Kindergeschichten-Onkel sein. Weisst Du, wie ich vorhin so in der erkaltenden Badewanne lag, hatte ich nämlich endlich eine Idee. Also es waren eigentlich zwei Ideen. Alles völlig abwegig, wie immer. Welche willst Du zuerst hören?” — “Hm, die – noch abwegigere.” — “Sehr gut; also zum einen ist mir das Wort Sehnsuchscheinwerfer eingefallen.” — “Sehnsuchscheinwerfer? Ohne t. Sehr gut. Obwohl –” — “Wie obwohl? Ist doch toll. In einem Artikel über Rainald Goetz und Botho Strauß, und diese ganze deutsche Suche nach dem Glück, dem Glück des Vergangenen, und so, kam ich drauf. Ich glaube, ich hatte mich verlesen. Aber dann kam mir das auf einmal großartig vor, ich schmeckte dem Wort so ein Weilchen nach, so ein Neologismus eigentlich, und hab dann ganz schnell die Zeitschrift neben die Wanne geworfen, weißt Du: Was war das denn gerade?, dachte ich. Sehnen, suchen, Scheinen, Werfen. Also hier ja: Geworfensein. Ist das Heidegger?“ — “Was weiss ich von Heidegger.” — “Eben, ich auch nichts. Ich dachte: Ich bin ja selbst also ein Sehnsuchscheinwerfer.” — “Warst Du da auch noch übernächtigt?” — “Ja sicher, bin ich ja immernoch. Und zwar dermaßen, dass ich vom Goetzschen Geworfensein sofort zu meiner zweiten Idee durchstartete. Einer Idee für eine Erzählung.” — “Erzähl mal.”
“Ich glaube, es ist so: Ein alternder, nein: ein alter homosexueller Regisseur sitzt in seinem Haus, das mal eine Villa war und lässt sein Leben Revue passieren.” — “Ah. Und weiter?” — “Weiter weiß ich jetzt noch nicht. Aber ich glaube, dass in dieser Form viele Dinge möglich sind.” — “Aber Du musst doch wissen, wovon Du erzählen willst. Verstehe die Idee jetzt nicht.” — “Also. Wir sind doch noch jung.” — “Sind wir jung mit Mitte dreißig?” — “Nun, jünger als der alte schwule Regisseur am, sagen wir, Comer See.” — “Ja, das verstehe ich.” — “Und so in der Rückschau auf ein Leben, ein vielleicht gescheitertes Leben, lässt sich doch mehr erzählen, darstellen, als wenn man alles so von vorn nach hinten entwickeln muss.” — “Das klingt alles schon ziemlich dagewesen. Außerdem klingt es ein bisschen nach Visconti.” — “Ich hab ja noch nie auch nur einen Film von dem angeschaut.” — “Das musst Du jetzt ja sagen.” — “Stimmt.”
Apologies to our readers who prefer our English posts.
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