Ich bin das Glück dieser Erde, so hat der vielleicht nicht unfassbar glückliche Rainer Werner Fassbinder eines seiner Projekte genannt. Eines der erstaunlich wenigen, die er nicht zu Ende gebracht hat, bevor er im Juni 1982 um das Leben kam. Ich bin das Glück, dachte ich vor einiger Zeit, wenige Jahre jünger als Fassbinder, als er starb, und ohne Erde, bescheiden, um nicht zu sagen: demütig.
Es war ein Samstag; ein den Menschen ja oft gelingender Tag. Warum das so ist, darüber müsste man einmal gesondert nachdenken. Samstags fällt vieles leichter. Samstags sehen die Gesichter auf der Straße farbiger aus, und die Bücher in der großen Handlung am Marktplatz klingen besser, wenn ich sie überfliege, und die Zwiebeln und die Mayonnaise fügen sich sanfter als sonst zu den frittierten Kartoffelschnitzen dieses kleinen Kartoffelschnitzpavillons inmitten der Stadt, wo—am Rande bemerkt—die Verkäuferinnen eigentlich jeden Wochentag eine erstaunliche Lebenszugewandtheit ausstrahlen.
Ich bin das Glück, dachte ich also, wie ich durch eine Fussgängerzone lief, eine sterile Zone aus Kopfsteinpflaster, Panflöten und Schlemmermeier-Filialen; eine Zone, deren Erfindung—so hätte ich an jedem nur unwesentlich schlechteren Tag befunden—die Seele unserer Innenstädte doch eigentlich mehr verheert hat als die Städteplaner der englischen Brandrodung dies je vermocht hätten.
Aber an diesem jenen Tag ging ich dort mit den anderen Gängern, und empfand große Sympathie für das Mädchen mit der dünnen Stimme und ihren Freund mit der kubanischen Zigarrenkiste, auf die er einhämmerte. Ich war froh, am Leben zu sein, gesundet an Leib und Geist, gewandet in Sicherheit spendende Stoffe von Männer und Frauen ihres Faches; arm an Zahlungsmitteln, aber reich an sogenanntem Dispositionskredit, der mich zu disponieren mir erlaubt. Ich bin das Glück, dachte ich.
Und das Glück blieb, den ganzen Tag, und es wurde zu einem nur unwesentlich älteren Mann mit seinem Kontrabass, der auf Ladino sang, der vielleicht einmal aussterbenden Sprache (und sei es drum) der sephardischen Juden, und ich war froh und labte mich eine ganze Nacht und einen ganzen weiteren, dann so leichten Sonntag an diesen Liedern und an diesem Wort: Sephardisch, weil es so schön ist und so viele wortlose Konnotationen in sich trägt.
Während ich hier diesem Glück nochmals nachspüre (als Residuum ist es noch da, ich kann es ganz leicht heraufbeschwören, nur nicht zu laut sprechen darf ich), dringen die melismatischen Tonfolgen aus dem Nachbarzimmer herüber, und jener Samstag dehnt sich zu allen Samstagen, und allen Tagen eines Daseins, und die Erinnerung perlt und resoniert, und ein geglücktes Leben erscheint plötzlich denkbar. Ich bin das Glück, und Du bist es auch.
Apologies to our readers who prefer our English posts.
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