Thursday, July 31, 2008

Dorian, Phrygian, Mixolydian (I)

I do not know anything about this man. This bothers me. All I do know that he is a famous writer, and that this is a self-portrait taken no later than 1891 or 1892. It is a spectacularly good self-portrait, of course. Do you feel Time trickling out of it as I do? Can you also feel how you are aging while watching this (self–)portrait of a long dead man, almost Doriangrayish effects kicking in? If this web-basd notebook would have a cover I would prefer to close it now.




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Wednesday, July 30, 2008

Promises made lightly

I don’t understand architecture. Neither do I know what it actually is, nor do I understand any of the technical steps necessary to make a building manifest itself. That said, I can begin to indulge in my entirely emotional, pre– or post-rational approach to architecture:

My almost visceral reaction to buildings that pay witness to the age of modernism has been building up and worsening since my early childhood days in the—all in all—aesthetically uninspired late seventies and early eighties. Being shown photographs of the Weissenhof Siedlung in Stuttgart and of furniture from the Bauhaus heydays were responsible for my first perception of history as well as the miracles of past and simultaneity: How can it be that such fresh and clean design is (then) 50-odd years old? How can it be that my fellow countrymen were instrumental in creating such breathtaking beauty, e.g. by sending Mies van der Rohe out to represent Germany at the World exhibition in Barcelona, at a time when the NSDAP surely held already 20 percent of seats in the Reichstag?

Although I am able to see things slightly more shaded in greys today, the intensity of my initial responses to buildings as diverse as the Barcelona pavillon, the Villa Tugendhat in my grandfather’s temporary home town Brno, or even the flirtations of social housing with totalitarianism and modernism alike (like Prora at the baltic see) is not about to wane.

Modernism and Minimalism to me bear a certain promise of simplicity that real life will never cash in. You are likely to get bruised if you come too close or stay too long, both me as an individual or society as the funder and user of modernist architecture.

That’s why I should be careful, but that’s also why I fall for it, wholeheartedly, painfully, every single time that I am allowed to witness it, experience it, come close to it.



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Monday, July 28, 2008

Temporäre Autonome Zonen (II): Unzutreffendes bitte streichen

—für Peter Bichsel, mal wieder

«Ich begann mit den Bildbänden. Ich weiss noch, ich kramte hastig als Lineal ein Stück Pappe heraus, nahm den Bleistift, und klemmte die Zunge zwischen die Lippen. Ein dicker, schwerer Kaffeetischband über die Rolle der Photographie in Sebalds Werk erschien passend und programmatisch: Ich schlug den Band auf, und begann auf der Titelseite mit dem Anlegen des Pappstreifens, las noch einmal kurz, bewunderte aber mehr die fette Antiqua; ganz ähnlich einem Kleinbauern vielleicht, der dem Lamm noch einmal über das Fell fährt bevor er das Bolzenschussgerät ansetzt.

Ich strich alles durch.
Der erste Strich war der schönste, befriedigendste, im Nachhinein betrachet.

Die Titelseite war, wie in allen Bänden, schnell erledigt, ich genoss das Geräusch des spitzen Bleis; auf dem beschichteten Kunstband-Papier klang es besonders hell, von gesunder Aggressivität. Für den restlichen Text hatte ich beschlossen, nicht mehr so genau hinzuschauen, nur auf den Seitenspiegel, den Satz zu achten; aber dem eigentlichen Ziel ging ich gewissenhaft nach: Ich strich einfach alles aus, alles Erzählte, Behauptete, Geschriebene.

Viele Wochen sind nun verstrichen (ein Wortspiel, verzeihen Sie), und ich habe darüber die bessere, neue Art entdeckt, die Zeit zu messen: Einmal auf die Toilette dauert so lange wie das Ausstreichen von Seite 118 bis 122 in Thomas Bernhards Verstörung, vom Klingeln des Briefträgers bis zum Anruf meiner geschiedenen Frau am Abend vergehen Less than Zero und etwa das Glossar der Elements of typographical style; die Mutanten im Fahrradgeschäft schätzten ganz richtig, die Reparatur würde höchstens zehn Bände der Suhrkamp-Monographien-Reihe lange dauern (das Nachwort der Minusvisionen schaffte ich nicht mehr ganz).

Ich bin schnell geworden, doch bleibe ich sorgfältig und negiere fleissig das Wort. Das geschriebene Wort ist vorbei, nur noch das gestrichene zählt; es zählt, im Wortsinne. Man kann alles damit zählen, und was Ihnen nun wie eine Erzieh­ungs­maßnahme oder ein Wahn höherer Ordnung vor­kom­men muss, ist einfach eine ganz hervorragende Art, die Zeit auszuradieren.

Ich plane, nächstes Jahr, wenn die Blätter treiben, mit meiner bescheidenen Bibliothek fertig zu werden. Paco, der Nachbar, der manchmal in meinen bereits durchgestrichenen Bänden blättert und nach dem rechten sieht, schlug vor, ich solle doch einen Praktikanten anstellen; aber ich muss es selbst tun, es ist ja auch eine große Versuchsanordnung, eine Reinigung; Die Idee verfängt, langsam. Ich stehe in Verhandlungen mit großen Verlegern, so soll ich zum Beispiel gegen einen bescheidenen Obulus im Kalendjahr 2011 das gesamte FAZ-Archiv durchstreichen, und irgendwann will ich nach Amerika, dort soll es noch viel größere Bibliotheken geben, mit einem Bleistift, und meiner Pappe, und alles werde ich ausstreichen, redigieren, negieren, bis nichts mehr bleibt.»


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Friday, July 25, 2008

Drachenhaut

Für einen Moment erstaunt mich am meisten das Fächern des Sandes über die seltsam unpassend klinkerverkleideten Wangen der Quai-Ruine. Ein warmer Wind streicht mir über die Stirn, und unter mir zittert das Fundament eines schlafenden Riesen.

Fünfzehn Meter tief in den Boden der Prorer Wiek geschmiegt, durchgängig dreigestöckig über die gesamte Strecke seines fast fünf Kilometer langen Leibes, liegt es da. Wie die verdörrte, vielleicht sogar versteinerte Haut einer aus­gestorbenen Echse. Das Drachentier ist fort, verbannt, keiner der noch lebenden Inselbewohner will es gesehen haben. Nicht der freundliche Fischfritteur mit den Tabakresten im Schnautzbart, und auch nicht der ennervierende Fremdenführer mit seinen—ist das irgendwie so ironisch gemeint?—Camouflage- und Militaria-Versatzstücken aus dem Billigstversandhandel und seiner Volksarmee-Vergangenheit und seinem «Die dort oben»-Sermon.

Vom Drachen selbst hat er auch nichts zu berichten, nur vom genialischen Baumeister mit dem etwas zu nahe­liegenden Namen Klotz. Von den 72 Millionen Reichsmark, die sie beerdigt haben, mit Schaufeln nur und ganz wenigen Maschinen, in Windeseile, bevor es daran ging im Osten mit dem wirk­lichen Beerdigen zu beginnen.

Wenn man dort steht, auf diesem Fundament, und in den herrlichen Kiefernwald hineinschaut, oder auf die See hinaus, wenn man den Aufbruch und die Anmut zulässt, die unwillkürlich aufsteigen, dann hat der Drache bewiesen, wieso er so erfolgreich sein Lied singen konnte in jenen Jahren, und am liebsten will man sofort mithelfen, alles gut werden zu lassen.

Ich kann, wenn ich meiner Faszination für Ordnungssysteme aller Art auch nur einen Hauch von Raum lasse, nicht gedanklich verharren in dieser Ruine; ich muss zurück in der Zeit, um viele Jahre, die sich wie Zeitalter ausnehmen, angesichts der irreversiblen Ungeheurlichkeiten die ihren Lauf nahmen, als dem Drachen hier die Kraft verging und sich alle, die an seinem Drachenkostüm mitwebten, sich ihrer eigentlichen Boshaftigkeit wieder zuwandten. An diesem Punkt der Geschichte will man chronochirurgisch eingreifen: Die Mendelssohnschen Rundungen dort oben vollenden, und die Platten aus Muschelkalk endlich anbringen, und die grässliche Festhalle ganz aus dem Plan streichen, und ich will das Wellenbad in Betrieb nehmen, und die Besucher zum Strand laufen sehen mit den Kindern, alle für sich, in verrückten unberechenbaren Bahnen, jedes für sich in seinem Rhythmus, nur geeint in der Freude, hier zu sein, am schönsten Strand dieser Welt.

In solch alberne, ahistorische und meinethalben rührselige Gedankenspiele drifte ich unwillkürlich, bis die Nervensäge in Tarnfarben zum wortreichen Rückmarsch bittet.

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Wednesday, July 23, 2008

Die Unmöglichkeit einer Insel

—für Hector Barantes, unter anderen

«Gott, wie unangenehm», seufzte Leni. Sie schob sich eine Dattel in den Mund. Sie war erschöpft vom Tauchgang, und jetzt das. Dragan trat wieder ins Zimmer. «Sie verstehen es nicht, aber es macht nichts.»

Leni schwieg. Sie war sich nicht sicher, ob es schlau gewesen war, sich den Namen eines ausgerechnet in Sarajevo verstorbenen Kollegen zu leihen. «Wann kommen sie Dich holen?» «Ich habe ihnen gesagt, ich werde vors Haus treten, wenn ich es für richtig halte.»

Wie unangenehm, dachte Leni unentwegt. Sie hatte Dragan versprochen, Mladen die Steine zu geben; er würde sie bestimmt noch heute abholen kommen. «Er ist ein guter Junge, er versteht uns.»

Dragan starrte auf das kleine Tischchen. Dann drehte er, nur scheinbar nachdenklich, das kleine Benn-Portrait zur Wand. «Es ist alles falsch; so falsch, dass ich es ihnen weder in meiner noch in ihrer Sprache werde erklären können.»

Leni sah auf einmal nur noch den Fleck, eingetrocknet, an seinem Hemd, ein besseres hätte er wählen sollen. «Was meinst Du, falsch? Wir haben doch immer Recht gehabt, Dragan, immer Recht. Glaubt Du nicht mehr daran?» «Ach, Leni.»

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We tell ourselves stories in order to live: 20 lines of why I love Joan Didion

«During this period I spent what were for me the usual proportions of time in Los Angeles and New York and Sacramento. I spent what seemed to many people I know an eccentric amount of time in Honolulu, the particular aspect of which lent me the illusion that I could any minute order from room service a revisionist theory of my own history, garnished with a vanda orchid. I watched Robert Kennedy’s funeral on a verandah at the Royal Hawaiian Hotel in Honolulu, and also the first reports from My Lai. I reread all of George Orwell on the Royal Hawaiian Beach, and also I read, in the papers that came one day late from the mainland, the story of Betty Lansdown Fouquet, a 26-year-old woman who put her five-year-old daughter out to die on the center divider of Interstate 5 some miles south of the last Bakersfield exit. The child, whose fingers had to be pried loose from the Cyclone fence when she was rescued twelve hours later by the California Highway Patrol, reported that she had run after the car “for a long time.” Certain of these images did not fit into any narrative I knew.»





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Monday, July 21, 2008

On the road to “Emergenz des Totalen” (pt. IV)

Heute ein weiterer längerer Abschnitt aus meinem eher mühsamen, vielleicht auch müßigen Versuch, endlich etwas über die Emergenz des Totalen zu destillieren. Leserzuschriften, auch per Email, sehr erwünscht.

Auszug aus dem Teilabschnitt “Das totale Wissen”

[…] Unser junger Mann aber ist selbst überrascht, welche Emotionen dieser ja nur scheinbar neue und doch eigentlich gar nicht unpraktische Dreh in der zunehmenden Tendenz, lernende Algorithmen mit Internet-Benutzer-Interfaces zu verknüpfen (wie auch kommerziell sehr erfolgreich von dem ehemaligen Internetbuchhändler Amazon.com etabliert), in ihm auslöst. Er schreibt umgehend an den neuen Pandora.com-Jünger:

“Grundsätzlicher nun doch: Dich als Computerlinguisten macht das natürlich an, wenn so was funktioniert. Aber ich bin unterwegs zu anderen Sternen. Ich will nicht mehr erforscht, (falsch) verstanden, durchleuchtet werden. Es ist leider so grundsätzlich, dass ich von Websites, die aus mir lernen wollen, es mir recht machen wollen, mich einlullen wollen, echt zu viel habe. Für mich ist das ein Teil der großen totalen Maschine. In einer Linie mit den Faschisten von Google und Microsoft. ich kann es leider nicht un-emotionaler sagen, gerade heute, zwei Tage nachdem ich für einen USA-Flug gebeten wurde, Passnummer, Pass-Ausgabedatum und -Ort, Geburtsdatum sowie mein Hotel in Atlanta anzugeben—zwei Monate vor Abflug!, und einen Tag nachdem man keine Telefone, keine ipods und keine Wasserflasche mehr an Bord eines Öffentlichen Verkehrsmittels nehmen darf. Ich bin jeden Tag auf 300 CCTV-Kameras, da will ich wenigstens für mich behalten was auf meinem Mp3-Player läuft. So grundsätzlich ist meine Abwehr gegen das totale Wissen inzwischen.”

—Soweit der junge Mann. Es ist instruktiv, sich die gewollt wirkende Anachronizität seiner Worte zu vergegenwärtigen, die Flucht ins Poetische, und das Verzweifelte, das daraus spricht. Es ist der altbekannte kulturpessimistische Reflex, der sich hier heraushören lässt, und auch der Ton des Überforderten, der sich ins Grundsätzliche flüchten muss, weil die Vielzahl der einzelnen, Unbehagen auslösenden Ein-Drücke zu groß zu werden scheint.

Wo befindet sich dieser junge Mann? Es scheint, als ob an diesem modellhaft verdichteten Punkt alte, bekannte (staatlich initiierte) Mechanismen der Repression und Überwachung (die, obwohl als potentiell bedrohlich bekannt, vertraut sind und die vermeintlich eingeordnet werden können in bestehende Deutungsmuster, wie oben dargelegt) und neue, ihm noch unbekannte (nach-staatlich initiierte) Dimensionen der Durchdringung und Berückung ineinander greifen—Überwachung gelingt, auch ohne dass nur ein einzelner Handelnder sie initiiert hätte oder ein Einzelner unmittelbaren Nutzen daraus zöge.

Die drei gewählten Beispiele (nur das Dritte ist hier wiedergegeben, Anm. Wall of Time) demonstrieren desweiteren die verblüffende Effektivität der Überwachung: Ebenfalls schneiden und verdichten sich hier nämlich drei quasi vertikale Schichten unterschiedlicher Granularität und damit auch unterschiedlicher persönlicher Relevanz und Intimität: Erstens eine globale, aber abstrakt bleibende, alle betreffende Schicht (Anschlag, Restriktion, Sicherheit); Zweitens eine mittelbare, dazwischenliegende, inter-personale Schicht (die Fluggesellschaft und ich, evtl. der Staat und ich; allerdings auch Du/Ihr und ich auf Gemeinschaftsportalen wie myspace.com oder in den explizit persönlichen Mitteilungen in Internettagebüchern); sowie drittens eine sehr lokale, individuumsfokussierte Schicht (Pandora.com, Amazon.com; persönliche Gewohnheiten, Vorlieben, sog. Eigenheiten, einigermaßen nutzlos—auf ersten Blick—für Dritte). Nur am Rande sei angemerkt, dass das Musikportal Last.fm mit seinem Protokollieren und Detektieren von Musik-Hörgewohnheiten sowie dem beabsichtigten Zusammenführen von Menschen mit ‘ähnlichen’ Hörgewohnheiten hier eine interessante Zwischenstellung zwischen interpersonaler und lokaler Ebene einnimmt, genauer betrachtet zwischen lokaler Schicht und einer Textur, Verwebung aus zahlreichen interpersonalen Schichten.

Es ist diese, erst durch Algorithmik und Vernetzung möglich gewordene Qualität, die den Anschein des Entstehens (der Emergenz) von etwas gänzlichen Neuem nicht abzustreifen vermag—und die uns deshalb zu interessieren hat, wenn wir verstehen wollen, wie solche Verwebungen und Einbettungen intimer Eigenheiten des Individuums in interpersonale Netze und gegenseitige Kenntnis zurückwirken auf empfundene und tatsächliche Freiheit des Einzelnen.


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Friday, July 18, 2008

Versuchsanordnung (I)

Mitten im Sommer erreicht uns ein reichlich bizarrer Text. Wenn auch Sie, werte Leser, diese Multiplikationen mit dem Gegensatz, dieses Nullsummenspiel, schätzen wie wir es tun, dann könnte diese ganz offensichtlich im tiefsten Winter aller Herzen entstandene (so genannte) Versuchsanordnung Ihnen ein wenig fröstelnde Freude bereiten—wie ein zu kalter Drink vielleicht, der einem, auf den viel zu heissen Terracotta-Fliesen am Pool gammelnd, die Speiseröhre verödet. Aber lesen Sie selbst.

“Die Kälte. Die Kälte, und das Feuer, besser: die Explosion. Von einem der auszog, das Frieren zu lehren, um seiner und seiner Umwelt willen. Nur, um dann doch wieder explosive Fässer im Innersten vergessen zu haben, die ihm um die Ohren fliegen.

Es ist ein Schock, wie wenig der Vorsatz als Kulturtechnik hilft, das Pulver in den Fässern trocken und frei von Erschütterungen zu halten. Und ein Teil des Schocks besteht wirklich darin, dass inmitten des selbstauferlegten Verhaltens der Kälte die Impulse solch ein kurioses und ironisches Schauspiel zur Aufführung bringen:

Ein Eiswürfel, Sinnbild der Kälte, soll mit einem großen Hackbeil gespalten werden; der Eiswürfel pulverisiert sich unter Einwirkung dieser Energie natürlich sofort, das Beil zerstört darüber hinaus nicht nur die kristalline Struktur der mühsam herabgekühlten Wassermoleküle, sondern auch die Tischplatte, den Frieden des Zusammenseins, den Selbstwert, die Unbeschwertheit, die Un­befangenheit in Hinblick auf das Selbst und die anderen.

—Tief getaucht, um die tiefen (sic!) Temperaturen fernab der witterungsbedingten Modulationen zu erreichen, und die damit einhergehende Erhöhung des Drucks in Kauf genommen. Dann explodiert, oder implodiert, ich weiß es nicht.

Am Grunde dort, im Grunde also, ist der Mensch allein. Eine traurige Erkenntnis, und damit das einzige, das sich eine kristalline Struktur über diesen Einschnitt hinaus bewahren konnte.”


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Sunday, July 13, 2008

Franz jagt im völlig verwahrlosten Hypotaxi durch Deutschland

Während diese Buchstaben an einem Sonntag im Juli vermittels einer Tastatur (designed in California) auf einem Eiermann-Tisch, das stete Hämmern lässt ihn sanft sich aufschwingen, zu Ihnen finden, werde ich eine Trajektorie von einer Küche im Osten, durch die kaum zerbombte Innenstadt zu einem grotesk überdimensionierten Bahnhof in einen vielleicht frisch gewarteten Hochgeschwindigkeitszug (jetzt neu! seit Paul Virilio: mit Hochgeschwindigkeitskatastrophen!), sodann in und durch die Stadt des Feuersturms, des Pudels, der goldenen Erinnerungen, des großen Steuermanns mit den Menthol-Zigaretten, und dann weiter im adrenalin-unterfütterten Zick-Zack eines angeschossenen Hasen, mit Schrot in den Bandscheiben, zurück nach Osten, nach Norden, an die Brandung eines unheimlich dräuenden Meeres, für Sie die monumentalen Segnungen der Kraft durch Freude-Ingenieure betrachtend, beschreiben.

Ich stehe ein weiteres Mal in Staunen und Dankbarkeit vor den grammatikalischen Möglichkeiten meiner Muttersprache und wünsche Ihnen gute Erholung.



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Tuesday, July 08, 2008

Blätternde und Steinerne

Kürzlich rief mich mein Freund, der peruanische Schamane Cristiano Gran Sonq, aus seiner Eremitage im Berner Oberland an; ich müsse unbedingt mich mit der hervorragenden Seite umblaetterer.de in Verbindung setzen; ein Maulwurf, das Wappentier der Erratiker und Eingeweihten, fände dort einen prominenten Platz im Logotyp, und überhaupt sei dies eine ganz erstaunliche und erwähnenswerte Publikation, die noch dazu in Leipzig beheimatet scheine.

Sofort erinnerte mich der Titel natürlich an diese heroischen Versuche findiger Ingenieure, alte Bücher und Zeitungen zu restaurieren, indem man—unvorstellbarerweise—eine gedruckte Seite in der Fläche spaltet, als wolle man nachschauen was eigentlich in den Blättern statt stets nur auf ihnen zu finden ist an Geheimnissen.

Tatsächlich blättern die Freunde aber in den alten Zeitungen und ihren Archiven, und legen eine Art schlauen Tiefpassfilter an die gehetzte und sich selbst karzinogen reproduzierende Welt der Feuilletons und Medienschaffenden an: Ein FAZ-Artikel aus dem Jahre 2003 kann gerade heute vielleicht seine Qualitäten offenbaren, wenn er gut an der Zeit sich abgehangen hat.

WALL OF TIME wird all dem nachgehen, denn in der Tat scheinen dort bei den Blätternden einige, den Topois der Zeitmauer nicht völlig verschlossene und, im Gegenteil, höchst (im Wortsinne) inspririerte Geister am Werk.

Bleiben Sie uns also gewogen, auch in diesen dürren, traurigen und steinernen Tagen. Und bis dahin blättern Sie doch ein bisschen.

Apologies to our readers who prefer our English posts. Greek declinations in this contribution are brought to you courtesy of C.O. from the Bavarian Front Disco.

Monday, July 07, 2008

7/7

“Trauma is frozen time.” (Horst Obleser)

trauma |ˈtroumə; ˈtrô-|
noun ( pl. -mas or -mata |-mətə|)
ORIGIN late 17th cent.: from Greek, literally ‘wound.’


Thursday, July 03, 2008

Mein Freund, der Baum

Es gibt ja sehr verschiedene Möglichkeiten, seine Lebenszeit zu verbringen. Ganz unterschiedlich nutzen wir die uns verbleibende Zeit, und setzen unsere Schwerpunkte (sagt man so?). Das radikalste Beispiel hierfür—in diesem Falle ganz richtig radikal, weil wurzelnd und die Unterschiede im Wurzelwerk betreffend—steht in meiner Eltern schönem Garten.

Ein Ahornbaum, dem seit 1975 wenig anderes eingefallen ist, als: zu wachsen. Wie unbeirrbar und unabgelenkt und humorlos er vor sich hin schießt seit dem; wie ein imperialer aber natürlich nur wohl­meinender Staat. Wie ein aus unerschöpflichen Kraftreserven sich bedienender Riese, wie sie in meinen Fieberträumen wachsen.

Im Jahre 1976, im Sommer—der eine konnte kaum stehen, der andere war gerade gepflanzt worden—war es bereits einmal zum photographisch in die Zeit genagelten Kräftemessen gekommen zwischen dem Baum und mir. Scherzhaft riet man dem sichtlich verwirrten Kind damals, es solle den Baum festhalten. Fast mühelos passte die Kleinkinderhand um den Stamm. Zweiunddreißig Jahre später zeigt sich, wie lächerlich unnötig dieser Baum meine Hilfe hatte.

Was habe ich getan, wie ist die Zeit verstrichen; wie vergeudet sich der Mensch, und fährt umher, und lernt, und faltet sein Gehirn gleichsam nach innen, weil die Schädelkalotte seine Kiste aus Knochen und Fleisch begrenzt. Wie anders der Baum, der sich nicht beirren lässt. Was muss er lesen, studieren, bangen, lieben, sich irren, in allem! Er wächst, stattdessen. Immer weiter. Definieren Sie: Wunder.






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Wednesday, July 02, 2008

Une joie immense

This late afternoon, walking through Paris, I mentally drafted a long entry on Ingrid Betancourt, the FARC hostage for six years, and on how her time as a hostage ties up with my own life time, with everybody’s and all other by far less known hostages’ life time.

I saw her picture in magnification near l’Hotel de ville, with an electronic counter sadly clocking up the days of her hostage, somewhere above 2100 today.

And before I got home and could even write a word, I read: Ingrid Betancourt is free.


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Tuesday, July 01, 2008

Ordnung gegen den Tod: Desperately seeking Susan

Heute gingen wir durch staubige heiße Straßenzüge einer müden Stadt; wir waren gerade entsetzt den postmodernen Spasmen seiner neueren Architektur entflohen, und reisten durch städtische Zeiten und Räume rückwärts, bis wir am Friedhof von Montparnasse ankamen.

Wir traten durch das Tor und fragten mit dem Französisch von Sechsjährigen nach dem Grab von Susan Sontag. Und als wir dieses schlicht-schwarze Lehrstück in Understatement endlich gefunden hatten, welches ihr Grab darstellt—der schwarze schwere Stein ist riesig und war vermutlich sehr, sehr teuer; wenn das Licht sich darin reflektiert, dann vollkommen, bis es das Schwarz der Materie annihiliert; und durch die Linse einer Kamera sieht der glatt polierte Stein oben auf einmal ganz weiss aus, wie die prätentiös unprätentiöse Strähne Grau, die Sontag gerne ins schwarzgefärbte Haar hinein zur Schau stellte—

Als wir also da so standen, entspann sich ein Gespräch über das jüdische Ritual, einen Stein auf das besuchte Grabmal zu legen.

Ich kreiste um das Phänomen, dass diese Steinchen ja nicht mitbebracht werden, wie es mit Geschenken oder Grabbeigaben sonst der Fall ist. Meine jüdische Begleitung sprach davon, wie diese Steine eben zugleich dem Konzept von Ewigkeit dank ihrer Beschaffenheit nahekommen, gleichzeitig aber sehr un-fancy und nicht wirklich Schmuckwerk sind, was ebenfalls sehr wichtig sei.

Mir hingegen will es scheinen, dass dieses Aufnehmen eines Steins aus seiner chaotischen Heimat am Wegesrand oder aus der unmittelbaren Umgebung des Grabs und sein ledigliches Re-arrangiert-werden ein starkes und schönes Symbol ist, mit dem sich der Mensch der Entropie in den Weg stellt. Das Vergehen des geliebten Menschen kann er nicht verhindern; aber er kann mit dem Aufheben des Steins, dem Ordnen, dem Strukturieren einer Szenerie, dem ewigen naturgesetzlichen Streben nach totaler Vermischung ein leises aber bestimmtes Nein entgegenwerfen.

Das Chaos, das auch Susan Sontags schlaues Hirn und ehemals anmutiges Wesen pulverisiert hat, wird obsiegen, und auch unser Geist, und die Moleküle die ihn ermöglichen, werden sich wieder zerstreuen eines Tages.

Heute aber, und for the time being, sprachen auch wir, an Susan Sontags Grab und ihr zu Ehren, unser kleines situationistisches und sehr lebensbejahendes Nein.


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