Saturday, September 27, 2008

The impossibility of Now (pt. III): A few lines by Wallace Stevens

A Clear Day and No Memories

No soldiers in the scenery,
No thoughts of people now dead,
As they were fifty years ago,
Young and living in the air,
Young and walking in the sunshine,
Bending the blue dresses to touch something,
Today the mind is no part of the weather.

Today the air is clear of everything.
It has no knowledge except of nothingness
And it flows over us with no meanings,
As if none of us had ever been here before
And are not now: in this shallow spectacle
This invisible activity, this sense.


Wallace Stevens, *1879 †1955 — When writing part I and part II of what was about to become this trilogy, this poem literally fell into my lap and formed the natural and final third part; a kind of Contrapunctus to what I tried to convey in poor words. I want to share it here.



Dieser Beitrag ist auf Englisch, doch einiges an der Zeitmauer gibt es auch in der hervorragenden Kultur- und Verwaltungssprache Deutsch zu lesen.

Wednesday, September 24, 2008

The impossibility of Now (pt. II): Spectres from the past

Auf dem Rückflug gestern machte mein Herz eine kleine Extrasystole, als ich bemerkte, dass ich neben dem Germanisten und Schriftsteller Max Sebald saß. Der große Mann auf dem Fenstersitz war mir am Gate gar nicht aufgefallen. Er schien ein routinierter Reisender zu sein, der nicht viel Aufhebens machte. Vor sich auf den langen Oberschenkeln lagen schon zwei Examensarbeiten; Ringbindung.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, endlich in dem neuerworbenen Wälzer über die Zerstörung Dresdens weiterzulesen, der mich schon am Gate gefesselt und das Wasser in die Augen gedrückt hatte. Aber ich konnte nicht neben Sebald sitzen, und in einem Buch über den Luftkrieg lesen, das wäre einfach too much.

Das glaubt mir wieder keiner, denke ich. Hier sitze ich, in Gedanken ganz 1945, in Suffolk, Bomber country, und dann in Dresden; bei der riesigen Bomberflotte, wie sie ihren Tanz am Himmel beginnt, sich über dem Kanal sammelt; bin ein Teil des Blech-Konfetti, das zuerst in den deutschen Radarschirm regnen sollte; all das denke ich, während ich mit einem Haufen freundlicher Engländer auf ihrem Weg zum Oktoberfest in einer Zivilmaschine sitze und wir bereit sind abzuheben, den Weg der Lancasters über Belgien hinweg nachzuzeichnen; und dann sitzt da Sebald persönlich neben mir. Er sieht etwas älter, aber auch drahtiger aus als auf den letzten Photos von 2001.

Ich ringe bis über den Kanal mit mir, ob ich ihn ansprechen soll. Es wäre sehr albern. Ich achte stattdessen auf seine Hand, die an den Rand der Arbeit mit einem Bleistift hin und wieder etwas notiert, strichelt, eher. Als die Getränke anrollen, schnarrt es in dem mir bestens bekannten Bairisch-Englisch unter dem Schnurrbart hervor, “an orange juice, please”. Ich sehe von meiner Bierbestellung ab.

Jetzt rast mir der Kopf. Wie bereichernd wäre es, mit Sebald selbst zu sprechen, jetzt, wo er einfach so mit mir aus seiner Wahlheimat England nach Deutschland reist. [Heute morgen habe ich her­aus­ge­fun­den, dass er wohl als Keynote speaker auf einem Symposium von Aleida Assmann zu kollektivem Gedächtnis in Konstanz eingeladen ist. Wieso bin ich nicht dort?] So gerne würde ich ihn fragen, wie er das gemeint hat mit der Heimkehr nach Deutschland, ich glaube, er schrieb einmal, ‘On a bad day, returning to Germany brings back all kinds of spectres from the past’. Ist dies heute ein schlechter Tag, für mich? Für ihn? Niemand anders in diesem Flugzeug denkt jetzt vermutlich an Dresden, wir fliegen ja erst einmal nach München, sowieso, und an die Bomben und den Brand denkt erst recht keiner. Bei meinem bedeutenden, stillen Reisegefährten hingegen bin ich mir fast sicher, dass er daran denkt. Aber vielleicht sehe ich etwas in ihm, das er nicht sein will.

“Herr Sebald, es ist verrückt, ausgerechnet diese Strecke mit ihnen fliegen zu dürfen. Sie sind doch Herr Sebald?” — oder besser auf Englisch. “Do you know, by any chance, the works of Christian Kracht? They somehow, oddly, keep reminding me of some of yours, although he writes vastly different, from a technical point of view.” — “Sie haben auch einmal in Klagenfurt gelesen, nicht? Und einmal in meiner Heimat, in Stuttgart. Das war ein wunderbarer Text.” Ach, es wäre alles zu peinlich. Ich schweige.

Der stille Mann schaut mich nur einmal an, beim Aufstehen, wie er sich aus der engen Sitzreihe windet, nach einer friedlichen Landung in einer deutschen Stadt. Er schaut, mit einem freundlichen Zug unter dem Schnurrbart, und ich hoffe, dass er weiss, dass ich weiss. Eine Stunde haben wir wieder verloren, für irgendwas, wie ein Pfand, das wir einzuzahlen haben, kurz vor fünf ist es, und ich muss mich wirklich beeilen, um die Maschine nach Leipzig nicht zu verpassen. Die Maschine, so sagt man ja gar nicht mehr, denke ich. Ich sehe ihn zum letzten Mal bei der Passkontrolle, als er, am Schalter nebenan, einen deutschen Reisepass, den grünen noch, hinüberreicht.


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Monday, September 22, 2008

The impossibility of Now (pt. I)

“Tried living in the real world, instead of a shell /
but before I began / I was bored / before I even began”
—The Smiths –
q.e.d. – as early as 1987

Breathe in, breathe out. Believe me, I try my very best to live a life in the present.

For example, I breathe, in and out, and even try faux-buddhist tricks like attending the air flow into one nostril and exhaling through the other. Yet, Now is a difficult and somewhat harrowing concept for me. As the future also carries only a limited appeal, all there remains is the past; or, so it seems:

1. A random day in London, where I used to live.
2. I buy a book on Dresden, 1945. I am not interested in the present city of Dresden.
3. I buy another book; on Stalingrad.
4. I buy a pair of trainers that are inspired by a 1970s Tennis hero.
5. I buy a book with short poems by W.G. Sebald, a dead writer, very obsessed himself with life and events preceding his own.
5b. I stop myself from also buying a sociologist account on Baader-Meinhof and the Weathermen, and how the 1960s student revolts went out of hand.
6. I buy a book by poet Wallace Stevens, not knowing him as of yet, but feeling a deep sense of doing the right thing as I learn that he died over 50 years ago.
7. I exchange text messages with a girl I used to know.

During all of this, I hallucinate a bittersweet smell in the air, having “better” written all over it, as I derail from my lame attempts to live in the present. I am not here. Here is somewhere else. Breathe in, breathe out.


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Wednesday, September 17, 2008

Konstrukte

Jeden Morgen gehe ich an einer riesigen Baustelle vorbei. Sie müssen wissen, dass es nicht schwer ist, in dieser Stadt auf riesige Baustellen zu stoßen, denn allen Unkenrufen über das nahende Ende des deutschen Ostens zum Trotz wird hier Geld im großen Stil begraben. Vielleicht werden Kulturforschende in einigen hunderten Jahren dies als großen Tanz auf dem verglühenden Vulkan begreifen, “damals als die Menschen ihr wertlos gewordenes Geld ins Erdreich steckten”. Bis jetzt aber ist es mir als Passant und Flaneur vor allem ein weiteres großartiges Zeugnis, wie viel man mit seiner Zeit anfangen kann. Könnte.

Während ein durchschnittlicher Wissenschaftler zum Beispiel versucht, sich ein ausgedachtes Experiment durchführbar zu machen, in dem er Testmessungen plant, Versuchsmaterial entwirft und aufnimmt und editiert, bevor er vermeintliche Erkenntnisse aus seinem schweren Gerät zaubern kann, und ganz generell sich durch seine Arbeit müht—in dieser Zeit, oder eher sogar etwas schneller, ziehen ein paar Männer mit nicht minder schwerem Gerät hurtig, aber nicht hastig einen Boden für ein Parkhaus ein. Wenn Sie das nächste Mal aufmerksam hinschauen, ist das Parkhaus auch praktisch schon bezugsfertig—während Ihre nächste Publikation von einem eifrigen Kollegen irgendwo über dem großen Teich vielleicht gerade ein weiteres Mal für nicht ausreichend befunden wird, und Sie sich innerlich Bill Murray mit seinem Radiowecker sehr, sehr nah fühlen.

Ein Haus bauen, einen Baum pflanzen.



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Monday, September 15, 2008

Classics of Camp (VII): Gespräche mit Nina

“Träumst Du auch so oft vom Krieg? Warum träumen Menschen wie Du und ich vom Krieg? Den kennen wir doch gar nicht.” — “Ja eben, das ist es ja. Was weiß ich von Krieg. Das sind ja alles so Klischees. Bilder, aber gar nicht meine eigenen. Deshalb bin ich ja heute so durcheinander. Aber angenehm durcheinander. Vielleicht bin ich auch nur so ganz wohlig zufrieden, dass es nur ein Traum war. – Ich glaube ja, dass die Träume, also, solche Träume das Leben erst erträglich machen: Ich wache wieder daraus auf, und bin froh, wieder hier zu sein. Dabei schläft man abends ein und will nur weg.”

“Aber was war denn so schlimm an dem Krieg in Deinem Kopf?” — “Na, hör mal. Es war – Krieg!” — “Vom Krieg hab ich auch schon so oft geträumt; das fing ja schon an als ich so vier oder fünf war. Ich stand hinter unserem Haus, also jetzt nicht im Traum, sondern am hellen Tag, und mein Nachbarsspielfreund sagte, morgen ist Krieg.“ — “Oho.” — “Genau, das habe ich damals, so mit knapp fünf, auch gedacht. Oho. Allerdings stimmt das nicht; ein Oho ist ja schon eine Art – Kulturleistung. Wenn ich also mit etwas innerem Abstand oho rufen kann – ich mein, ich hörte doch jetzt am Telefon auch gerade Deine hochgezogene Auenbraue – also dann muss ich mir nicht mehr vor Angst in die Hosen scheißen. Aber mit vier oder fünf brennt sich das ein, so ein ‘Morgen gibt’s Krieg’.” — “Um welchen Krieg ging es denn? Kam der auch am nächsten Tag?” — “Das frage ich mich auch zunehmend, je länger das her ist. Vielleicht ging es um die Iran-Krise, 1979 oder 1980.”

“Man müsste viel mehr aus diesen Kindheitserinnerungen machen.” — “Ja, kann sein. Aber ich will nicht so ein Kindergeschichten-Onkel sein. Weisst Du, wie ich vorhin so in der erkaltenden Badewanne lag, hatte ich nämlich endlich eine Idee. Also es waren eigentlich zwei Ideen. Alles völlig abwegig, wie immer. Welche willst Du zuerst hören?” — “Hm, die – noch abwegigere.” — “Sehr gut; also zum einen ist mir das Wort Sehn­such­schein­werfer eingefallen.” — “Sehn­such­schein­werfer? Ohne t. Sehr gut. Obwohl –” — “Wie obwohl? Ist doch toll. In einem Artikel über Rainald Goetz und Botho Strauß, und diese ganze deutsche Suche nach dem Glück, dem Glück des Vergangenen, und so, kam ich drauf. Ich glaube, ich hatte mich verlesen. Aber dann kam mir das auf einmal großartig vor, ich schmeckte dem Wort so ein Weilchen nach, so ein Neologismus eigentlich, und hab dann ganz schnell die Zeitschrift neben die Wanne geworfen, weißt Du: Was war das denn gerade?, dachte ich. Sehnen, suchen, Scheinen, Werfen. Also hier ja: Geworfensein. Ist das Heidegger?“ — “Was weiss ich von Heidegger.” — “Eben, ich auch nichts. Ich dachte: Ich bin ja selbst also ein Sehnsuchscheinwerfer.” — “Warst Du da auch noch übernächtigt?” — “Ja sicher, bin ich ja immernoch. Und zwar dermaßen, dass ich vom Goetzschen Geworfensein sofort zu meiner zweiten Idee durchstartete. Einer Idee für eine Erzählung.” — “Erzähl mal.”

“Ich glaube, es ist so: Ein alternder, nein: ein alter homosexueller Regisseur sitzt in seinem Haus, das mal eine Villa war und lässt sein Leben Revue passieren.” — “Ah. Und weiter?” — “Weiter weiß ich jetzt noch nicht. Aber ich glaube, dass in dieser Form viele Dinge möglich sind.” — “Aber Du musst doch wissen, wovon Du erzählen willst. Verstehe die Idee jetzt nicht.” — “Also. Wir sind doch noch jung.” — “Sind wir jung mit Mitte dreißig?” — “Nun, jünger als der alte schwule Regisseur am, sagen wir, Comer See.” — “Ja, das verstehe ich.” — “Und so in der Rückschau auf ein Leben, ein vielleicht gescheitertes Leben, lässt sich doch mehr erzählen, darstellen, als wenn man alles so von vorn nach hinten entwickeln muss.” — “Das klingt alles schon ziemlich dagewesen. Außerdem klingt es ein bisschen nach Visconti.” — “Ich hab ja noch nie auch nur einen Film von dem angeschaut.” — “Das musst Du jetzt ja sagen.” — “Stimmt.”


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Tuesday, September 09, 2008

Flüstern sollten wir die ganze Zeit

Kennen Sie das, wenn Sie Texte übersetzen müssen, sehr schlecht, im Rahmen Ihres eigenen bescheidenen Vermögens, einfach weil Sie lauschen wollen, wie dieses Lied, das Sie betört, seit Tagen, in Ihrer Sprache klingen würde? — The Magnetic Fields, 100,000 Fireflies


«Ich hab eine Mandoline
Die spiel ich die ganze Nacht
Ich möcht mich darüber umbringen
Ich habe auch eine Dobro
Gefertigt in irgend einem Gebirgszug
Wie ein verliebter Gebirgszug klingt es
Aber wenn ich an meiner elektrischen
Gitarre den Regler aufdrehe
Fürchte ich mich vor der Dunkelheit ohne Dich nah bei mir

Ich ging hinaus in den Wald und fing
einhunderttausend Glühwürmchen
Wie sie so durchs Zimmer querschlagen
Erinnern Sie mich an Deine leuchtenden Augen
Andere Augen hätten mich vielleicht nicht so traurig gemacht
Aber dies ist die schlimmste Nacht die ich je hatte
weil ich mich fürchte vor der Nacht ohne Dich nah bei mir

Du wirst nicht froh werden mit mir
Aber gib mir noch eine Chance
Du wirst eh nicht froh werden
Warum leben wir immer noch hier
in dieser abscheulichen Stadt
Alle unsere Freunde sind in New York
Warum kreischen wir immerzu
wenn wir sanfte Dinge meinen?
Flüstern sollten wir die ganze Zeit»


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Friday, September 05, 2008

Schwarzweisser September

Der blinde Fleck, wieder. Die Jahre, die ich verpasst habe. Eine Re­publik, auch, die ich verpasst habe, oder die Idee einer Republik.

Eine Idee: Die Idee, die in meinen Ohren nach Otl Aichers Picto­grammen und nach der Leichtigkeit von Günter Behnisch klingt—und noch nicht nach dem vergilbten Plastik, das ich dann Anfang der 1990er Jahre vor Ort sah und das mich eher an einen alten Fahr­rad­schup­pen erinnerte.

Die Idee auch, die—of all possible choices—Joachim Fuchsberger ans Stadionmikrophon setzt, Peter Herbolzheimer die Einmarschhymnen arrang­ier­en lässt, und die nur noch unbewaffnete und am besten als Hostessen getarnte, also auch Hostessen seiende Polizisten duldet.

Meine Eltern hatten sich extra den Farbfernseher angeschafft. Dieser strahlte dann später bis eben in jene frühen 1990er Jahre auch Farbe auf meine Netzhaut. Das drastische und plötzliche Ende dieser Idee eines anderen Landes, genau heute vor 36 Jahren, lebt also als Höhlengleichnis weiter; und seine Reflektionen und sein Nachhall, der uns heute bei jeder Flughafenkontrolle, jeder Groß­veranstaltung jeden Tag im Auge, im Ohr und ein bisschen an der Seele schmerzt, sind immernoch spürbar.



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Thursday, September 04, 2008

Als das Kind noch Kind war: Ein Koloss des Camp


Eine Feier des Irrealen. Wenn man das, was wir irreal nennen, durchdekliniert, und versucht zu verstehen, was alles erfüllt sein muss, damit Menschen in Übereinkunft etwas als irreal anerkennen, dann landet man sehr schnell bei MICHAEL JACKSON.

Die sehr begabte Margo Jefferson hat einen wunderbaren Essay (dt. Versuch) geschrieben mit dem ebenso naheliegenden wie bezaubernden Titel Über Michael Jackson. Jefferson beherrscht alle Taschen­spielertricks der Essayistin, die sie sich entweder charmant bei Susan Sontag abgeschaut hat, oder mithilfe dieser sie Sontag ein kleines Denkmal zimmern möchte; jedenfalls greift sie weit ins 19. Jahrhundert zurück, ins Vaudeville und in die Panoptika jener Zeit, sie kreist um den nicht benennbaren Kern des Michael Jackson, und ihr Text hat so viel Zauber, Mitgefühl und Substanz, dass er die Übersetzung ins Deutsche mühelos überlebt.

Jefferson ist sich mit jedem Wort bewusst, wie viel über Michael Jackson, schon geschrieben worden ist; so viel, dass ich hier weder Berufsbezeichnungen, Adjektive noch sonstwelche Attribute seinem Namen beigeben kann. Und doch gelingt es Jefferson, den Zauber, das unendlich Fremde, das gleichzeitig zu jedem Zeitpunkt so unfasslich far-out ist, also—excusé-moi:—das Hyperreale des Michael Jackson, dieser Art «Koloss des Camp» (Jefferson—die sich merkwürdigerweise ihre Initialen mit Michael Jackson teilt; vielleicht ist das Buch doch von ihm selbst—über Freddie Mercury) zum Leben zu erwecken für uns.

Lesen Sie dieses Buch, und geben Sie es nicht mehr her.


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Wednesday, September 03, 2008

On Tony Williams

For years, I’ve been a drummer. Possibly, you remain a drummer for a lifetime. Possibly, no matter how poor your drumming abilities are, how shaky your time-keeping (sic), how haphazardly your four extremities hit the small invisible, inaudible quantitised measures that infinitely split up a bar, not ending at 16th or 32nd notes—if you ever have approached time that way, your life time and your perception of it follow this pattern.

This holds true for all musicians, probably, and it may simply be an extension of everybody’s time perception; which, coming full circle, might indicate that we all are musicians, banging the big drums of time. Gosh, is that Cindy Lauper? No, it’s the drum beating out of time in her song, which also is a nice metaphor if you take it literally.

As I type, an only 18-year old Tony Williams, long dead now, in 1964, hits a hissing, nervous, openly-tuned drum set, overdrives the cymbals, partly by sheer speed and partly by the ferociousness with which he crushes them. This is so-called Jazz, and the Time is no longer kept. It is not kept by the drummer, and neither by any other band member, Hancock, Carter. It has evaporated, somewhere in the space that Williams together with his co-geniuses has created.

As a listener, you float along, and it takes your willingness to accept that here, on this record, in this moment, time has become an arrow, a stream, floating, roaring downhill, or forward, if you like. The space on that stage on Febuary 12, 1964, is transformed by Miles Davis and his colleagues into pure tension, tensors that shoot from one point to another, thus (if you think about it) only creating, emitting Time, and evaporating our concepts of it in the same instant.

This is done in a breathtaking, almost arrogant perfection and sovereignty. As a skilled listener, you can attempt to hook up with the 2s and 4s of the beat, get into the groove, but like in a museum, you ultimately remain outside of it, you have to watch these masters as they playfully stretch, and sheer, and convolute Time. Williams, nevertheless, appears to be the centre of gravity, the source of a big bang that just started the big space–time clock ticking.

Tony Williams, in a sense, has taken away my measures and words to describe the sensations he is able to elicit in me. It gives me great comfort to know that Williams, while still in his Earthly vehicle and behind an Earthly drum set, had overcome the quanitisied measures and limits of Time; he is truly banging out of time.


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Monday, September 01, 2008

Was bleibt: Bunter Staub

Datumsmystik, eine Spezialität an der Wall of Time: 01. September 2008 (–69) 01. September 1939 (+5) führt uns zu

«Saint-Dié, 1. September 1944
Abends Lektüre des Buches von Filon über die Kaiserin Eugenie. Dazu hallten Gewehrschüsse vom nahen Kempberg, der schon Maquis geworden ist. Ich richtete das Häuschen, in dem ich mit dem Feldwebel Schröter wohne, zur Verteidigung ein, so wie man sich eines alten, halbvergessenen Handwerks entsinnt.
Im Traum durchschritt ich eine herrliche Stadt, die allen mir bekannten an Eleganz weit überlegen war, weil altchinesische Formen sich mit den europäischen vereinigten. Ich sah die Gräberstraße, den Markt, die Hochhäuser aus rotem Granit.
Wie häufig bei solchen Wanderungen sammelte ich auch einige Käfer in die Ätherflasche ein. Als ich sie leerte, um die Beute zu betrachten, fielen mir zwei oder drei Tiere auf, die ergriffen zu haben ich mich nicht erinnerte, darunter eine karneolrote Anoxia, die fast durchsichtig war. Erwachend entsann ich mich jedoch, daß ich sie vor einigen Nächten während eines anderen Traumes in die Flasche geworfen hatte, und erstaunte darüber als über einen auf merkwürdig konkrete Weise in diese Welt hereinragenden Zug.
Übermorgen werde ich nach Hannover fahren; der Stab des Militärbefehlshabers löst sich auf.»

(Ernst Jünger, Kirchhorster Blätter)


Was bleibt, ist BUNTER STAUB: Buchvorstellung des neuen Deconstructing Jünger-Bandes, hrsg. von Alexander Pschera, mit David Woodard u.a. am 28. September 2008 auf Schloß Neuhardenberg

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